Von Schwärmen und vom Umschwärmt werden
Kristina Schmidt
Galerie Christine Mayer, München
04–03–2020
Exhibition Note by Johanna Klingler

Kristina Schmidt, Auf Recherchetour, 2018, oil on canvas, 48,26 x 33,02 cm. Courtesy: the artist and Galerie Christine Mayer, Munich

An diesem und weiteren leicht angetrunkenen Abenden schreibe ich also für meine Freundin Kristina Schmidt einen Text über ihre nächste Ausstellung.
Kristina, meine Freundin, mit der ich über Malerei spreche seit Jahren und mit der es sich anfühlt, als gäbe es tatsächlich etwas Wahres in ihr, eine Wirklichkeit, die wir beide kennen, die wir erleben und oft sogar genießen können. Kristina und ich lieben Malerei, weil es sich, wenn wir beide darüber sprechen, so anfühlt, als würden wir sie verstehen, als gäbe es etwas, von dem wir etwas verstehen. Darüberhinaus gibt es selbstverständlich viele Momente des Hasses, meistens dann, wenn wir auf uns selbst innerhalb dieses Gefüges des Machens und gerne Wollens und Glaubens zusammen mit allen Anderen, die wollen und machen, zurückgeworfen werden.
Eine schöne Erinnerung an meine Freundin Kristina, das war das erste Mal als ich sie gesehen habe: Kristina malte verschiedene Farbkreise, stellte sich vor ihre Bilder und entschuldigte sich dafür, dass sie die Arbeit an den Kreisen anscheinend noch nicht fertiggestellt hatte. Sie erklärt recht ausführlich, was sie sich bei ihren Kreisen dachte und stellte Fragen in den Raum. Jemand unterbrach sie mit einem Witz über die Ähnlichkeit der Malereikreise zu Pizza; es wurde gelacht, angestoßen und getrunken. Kristina und alle anderen, die gerne über Kristinas Kreise gesprochen hätten, waren zu freundlich und wahrscheinlich zu verunsichert, sich zu beschweren und so wurde auch nicht weiter über ihre Arbeit gesprochen. Ich identifizierte Kristina damals sofort als freundlich, intelligent und nicht-gewalttätig und wusste, dass ich eine Freundin gefunden hatte. Die Kreise habe ich nicht genau verstanden. Wenn doch alles so einfach geblieben wäre. Noch ein, zwei Jahre wären vergangen und beim nächsten Mal hätten wir uns endlich getraut und wären auch endlich laut geworden: “irgendwas mit Penis und Ego…” Wie gesagt, wenn wir durchgehalten hätten und dann endlich aufgerückt wären in der Hackordnung, hätten wir uns quasi die Position verdient unsere Kritik zu adressieren. Die Situation kommt mir heute nicht nur einige Jahre, sondern einige Jahrzehnte entfernt vor. Heute wird in Institutionen ja agendamäßig auf Umgang geachtet, wo genau die Probleme tatsächlich liegen scheint aber trotzdem noch nicht ganz durchgesickert zu sein. Kollaborationen, politische Auseinandersetzung und Beschäftigung über die Kunst hinaus werden gerne auf dem Lebenslauf gesehen und bringen die eine oder den anderen schon mal einen Schritt weiter in Richtung des Ortes, an dem dann leider doch nur eine kleine Posse aus besonders interessanten Individuen ein Plätzchen findet.

Kristina Schmidt, Flauschteppich, 2019, oil on canvas, 48,26 x 33,02 cm. Courtesy: the artist and Galerie Christine Mayer, Munich

Kristina Schmidt, 'Schmidti City', 2020, exhibition view, Galerie Christine Mayer, Munich. Courtesy: the artist and Galerie Christine Mayer, Munich

Wie auch immer. Kristina ist Malerin, es gibt keinen Zweifel daran, dass sie die Malerei nicht lieben würde, wenn das nicht so schwierig wäre: individualisiertes Arbeiten, individualisiertes Leben, individualisierter Erfolg, individualisierter Misserfolg, individualisierte Depression, individualisierte Insta Experience, Subjectivity, Genies, Egos, vor den eigenen Arbeiten posen, echte politische Probleme ausloten usw. In ihrer Ausstellung macht Kristina Schwärme, in denen das individuelle Objekt aufgelöst wird. Nur durch die Präsenz jedes Einzelnen, kann der Schwarm existieren. Wenn man das romantisch verstehen möchte. Ich spüre in Kristinas Schwärmen ein Unbehagen oder vielleicht Misstrauen gegenüber der einfachen Lösung, des zu naheliegenden Versprechens. Irgendwo muss der Haken doch sein… Irgendwie fühlt es sich falsch an, ein Werk, eine Frage, eine Antwort, sich selbst zu erschaffen und dann – je nach dem, was dann eben folgt – zu performen, auszuhalten, einzuknicken oder Zuspruch zu erhalten – egal, was dann eben kommt – irgendwie fühlt man sich doch schuldig, wenn da dann diese Sache existiert. Ich denke ja, dass Kristina eine von den "Guten” oder "Ehrlichen“ ist, eine, die immer auf der Suche sein wird, und sich nicht damit zufrieden gibt, dass etwas ”funktioniert”.

Kristina Schmidt, Lava Sunset, 2019, oil on canvas, 48,26 x 33,02 cm. Courtesy: the artist and Galerie Christine Mayer, Munich

Kristina Schmidt, Too much like magic, 2018, oil on canvas, 48,26 x 33,02 cm. Courtesy: the artist and Galerie Christine Mayer, Munich

Das stimmt so aber auch nicht, denn Kristina hat immer eine Vision, es gibt immer eine Herausforderung, die sie in ihren Arbeiten löst und die sie auch in dieser Ausstellung gelöst hat. Diesmal hat sie ihre Eltern und Geschwister gefragt, ob sie Teil ihrer Realität werden und Schwärme für die Ausstellung malen wollen. Vogelschwärme draußen am Fenster, halb Teil der Galerie, halb nicht, halb Kunst, halb nicht; die Vogelschwärme sagen, dass die Bilderschwärme drinnen gar nicht so wichtig sind, auch nur ein weiterer Schwarm. Hinten gibt es Displayschwärme, wenn man so will. Ich stelle mir vor, wie Kristina Zuckerwasser kocht und rumprobiert, sich hier etwas mehr erlaubt, sich vorstellt nicht Zuckerwasser, sondern ein Festmahl für eine große Gruppe Menschen zu kochen, das Zuckerwasser in Pappe und Keramik gießt, beobachtet wie sich das Material verhält, sich daran erfreut, woran sie sich auch abends zu Hause noch erinnert und sich auch dort noch darüber freut. Wie sie sich etwas mehr erlaubt und von zu Hause Erinnerungen, Beobachtungen und Frustrationen mitnimmt und sie mit dem Zuckerwasser in ihre Displays gießt, wo sich sich dann tummeln und existieren dürfen, zusammen mit anderen Ausschweifungen, die sie sich während des Machens erlaubt.

Kristina Schmidt, X, 2019, oil on canvas, 48,26 x 33,02 cm. Courtesy: the artist and Galerie Christine Mayer, Munich

Kristina, in der Blüte ihres Erwachsens, phantasiert sich teils narzisstisch, teils zynisch, teils verzweifelt, teils spielerisch in verschiedene Settings bzw. selbstportraitiert sich, was selbstverständlich einen Unterschied macht. Was es bedeutet, wenn sich eine junge Künstlerin zusammen mit anderen Positionen der Kunstgeschichte abbildet und sich explizit und dann doch nicht so explizit in verschiedene politische Beziehungen stellt, da wäre selbstverständlich für jeden Rezeptionsgeschmack etwas dabei: Kritik, Humor, Appropriation, Emanzipation, Zynismus, Realitätsflucht oder doch eher aktive Realitätsgestaltung, Lust am Machen, Lust am Fantasieren, Lust und Unlust auf Geschichtsschreibung, Lust auf Wiedererkennung…; wie es eigentlich zu diesen Entscheidungen kommt, ist aber vielleicht die viel wichtigere Frage.

Kristina Schmidt, 'Schmidti City', 2020, exhibition view, Galerie Christine Mayer, Munich. Courtesy: the artist and Galerie Christine Mayer, Munich

Kristina Schmidt – Schmidti City
11. Januar – 15. Februar 2020
Galerie Christine Mayer
Liebigstraße 39
80538 München