Too Much Future
Rebekka Benzenberg
Galerie Anton Janizewski, Berlin
18–04–2021
Exhibition Note by Pina Bendfeld

Rebekka Benzenberg, 'Too Much Future', 2021, exhibition view. Courtesy: the artist and Anton Janizewski, Berlin. Photograph: Sascha Herrmann.

Die Galerie Anton Janizewski zeigt mit ‘Too Much Future’ die erste Einzelausstellung der Künstlerin Rebekka Benzenberg. An der Kunstakademie Düsseldorf studierte sie in den Klassen von Ellen Gallagher, Rita McBride und Franka Hörnschemeyer, bei welcher sie 2020 als Meisterschülerin abschloss.

Eine gewaltige Aufreihung von Pelzmänteln dehnt sich auf der Wandfläche aus. Auf der Fellmasse prangt der riesige Schriftzug “TOO MUCH FUTURE”, dessen Buchstaben mit Blondierungsmittel in das Material gebleicht wurden. Imposant, fast ikonisch, erhebt sich die Installation über den Raum.

Rebekka Benzenberg, 'Too Much Future', 2021, exhibition view. Courtesy: the artist and Anton Janizewski, Berlin. Photograph: Sascha Herrmann.

Kontrastiert von dieser, ziert das Zitat “never look back” die Wand – als Schattenwurf angeleuchteter Haarsträhnen, welche die Wörter formen und an die geschwungene Handschrift junger Mädchen erinnern.

Dem Zukunftsdenken überdrüssig bei zeitgleicher Ablehnung vom Rückblick auf das Vergangene? Einer der vielen vermeintlichen Widersprüche, dem die Besucher*innen innerhalb der Ausstellung begegnen werden. Rebekka Benzenberg will die Gegenwart festhalten, die im Archivierungsprozess zum Relikt der Vergangenheit wird. So wirken die auf Tischböcken platzierten und in Epoxidharz gegossenen Objekte wie historische Artefakte. 

Rebekka Benzenberg, 'Too Much Future', 2021, exhibition view. Courtesy: the artist and Anton Janizewski, Berlin. Photograph: Sascha Herrmann.

Rebekka Benzenberg, 'Too Much Future', 2021, exhibition view. Courtesy: the artist and Anton Janizewski, Berlin. Photograph: Sascha Herrmann.

Der Pelz fungiert selbst als solches, ist er doch aus ethischen Gründen umstritten und als Kleidungsstück altmodisch geworden. Trotz seiner prekären Produktionsbedingungen wird er weiterhin mit Prestige und Wohlstand assoziiert. Aus diesem elitären Kontext enthoben, bearbeitet die Künstlerin das Material durch radikale Zerlegung und beschmierte Beschriftungen – Gesten der Rebellion. Durch diesen Akt der Aneignung werden die bestehenden Bedeutungsebenen rekodiert, jedoch nicht vollständig überschrieben.

Rebekka Benzenberg entreißt die Materialien aus ihrem exklusiven Kontext, um ebendiesen zu kritisieren. Als Symbole für Machtstrukturen schreiben sich an den verwendeten Gegenständen weitreichende Unterdrückungsmechanismen fest. So repräsentieren Pelz, blondes Kunsthaar sowie Bleichen und Rasieren des Fells (westliche) Schönheitsideale und –praktiken, die mit einem spezifischen Frauenbild innerhalb eines kapitalistischen Systems einhergehen.

Rebekka Benzenberg, 'Too Much Future', 2021, exhibition view. Courtesy: the artist and Anton Janizewski, Berlin. Photograph: Sascha Herrmann.

Indem Rebekka Benzenberg diese Elemente neu inszeniert, eröffnet sich der kritische Subtext ihrer Arbeiten. Die feinen Haarsträhnen werden von warmem Licht angeleuchtet, wodurch sie eine weiche und verspielte Schattenschrift erzeugen – eine anziehende Ästhetik, bevor sich die Radikalität beim zweiten Blick offenbart, denn das Arrangement sitzt auf scharfkantigen Taubenspikes. Diese gewaltsamen Abwehrstrategien und ausschließenden Mechanismen werden von der Künstlerin kontinuierlich thematisiert.

Rebekka Benzenberg, 'Too Much Future', 2021, exhibition view. Courtesy: the artist and Anton Janizewski, Berlin. Photograph: Sascha Herrmann.

Dabei ist sie sich ihrer eigenen Privilegien innerhalb dieses Machtgefüges bewusst. Diese Reflektion und Selbstbekenntnis werden auch von den Betrachter*innen erwartet. So provozieren Brutalität und Ambivalenz der Arbeiten eine Positionierung, eine Haltung, eine Meinung.

Und was könnte in diesen Zeiten relevanter sein?

Rebekka Benzenberg, 'Too Much Future', 2021, exhibition view. Courtesy: the artist and Anton Janizewski, Berlin. Photograph: Sascha Herrmann.

Rebekka Benzenberg - Too Much Future 
21. März – 8. Mai 2021

Galerie Anton Janizewski
Goethestrasse 69
10625 Berlin