Die Verteidigung des Privaten
John Skoog
Studiengalerie 1.357, Frankfurt
15–02–2019
by Theresa Weise

John Skoog, Reduit (Redoubt), 2014, film still. Courtesy: the artist © John Skoog

Während des Kalten Krieges, versandte die schwedische Regierung präventiv die Broschüre Om kriget kommer („Wenn der Krieg kommt“) an die Bevölkerung, um vor einem möglichen sowjetischen Einmarsch zu warnen. Von überbordender Angst getrieben, handelte Karl-Göran Persson (1894-1975): er baute sein privates Haus in einen Verteidigungsbunker (Reduit) um. Es sollte das Königshaus, die Dorfbewohner und ihn selbst vor der etwaigen Gefahr der Invasion schützen. Für seine Aktion sammelte er „Leftover“ – Schrott aus den Nachbardörfern – und baute seiner Paranoia ein Gebäude. Die politische Dystopie mündet in einer individuellen Dystopie und verbindet somit das Schicksal eines einzelnen Mannes mit dem kollektiven, gesellschaftlichen Kontext. Das Reduit (Redoubt) avancierte zu einer utopischen Architektur.

John Skoog, Reduit (Redoubt), 2014, film still. Courtesy: the artist © John Skoog

John Skoog, Reduit (Redoubt), 2014, film still. Courtesy: the artist © John Skoog

John Skoog (geb. 1985) dokumentiert in seinem Video Reduit (Redoubt) aus dem Jahr 2014 das Schicksal dieses Landarbeiters. Ca. 15 Minuten umkreist, durchdringt und inspiziert die Kamera das Gebäude; die Linse tastet die Oberflächen poetisch ab. Am Ende des Videos sehen wir den einsam stehenden Bunker, eingebettet in die Weite der Landschaft. Vier Sequenzen, in denen die Kamera ruhig filmt, vermitteln dem Betrachter ein Kontinuum. Die Geräusche während der Dreharbeiten, das Knarren des Filmwagens, die leisen, kaum zu vernehmenden Regieanweisungen münden in einem skurrilen Klangteppich, der akzentuiert wird durch aus dem Off gesprochene fragmentarische Sätze. Alte Zeitungsartikel aus Archiven werden von vier Schauspieler*innen vorgelesen. Sie erzählen von Erinnerungen, Begegnungen und Gefühlen. Die Vergangenheit wird mit der Gegenwart verknüpft. Skoogs Arbeit ist ein Doppel-Porträt: von Persson und seiner Architektur. Totes Gebäude und lebendige Stimmen. Klaustrophobie und die weite Landschaft. Orientierungslos im Reduit und Orientierung in der Landschaft. Hell und Dunkel – diese Gegensätze werden durch die strenge Dramaturgie von Skoog vereint. Er nutzt das Medium Video im Sinne einer Entschleunigung, die sich der Rasanz der allgegenwärtigen medialen Bilderflut nicht nur verweigert, sondern entgegenstemmt.
Im Juni 2018 versandte der schwedische Zivilschutz die Broschüre „Wenn morgen eine Krise ist oder der Krieg kommt“ an 4,7 Millionen Haushalte.
John Skoog – Reduit
12. Dezember – 14. Februar 2019
Studiengalerie 1.357
Goethe-Universität Frankfurt
Norbert-Wollheim-Platz 1
60323 Frankfurt am Main