Als Impression Management bezeichnet man in der Sozialpsychologie die bewusste oder unbewusste Steuerung des Eindrucks den Personen auf ihre Umwelt machen: Anstelle eines persönlichen Charakters wird ein Image seiner selbst mit dem Ziel der strategischen Selbstrepräsentation vermittelt. Titelgebend für ihre aktuelle Ausstellung in der Galerie Philipp Pflug Contemporary stellt Image Management Jagoda Bednarskys Auseinandersetzung mit Strategien der Repräsentation ins Zentrum ihrer Malerei.
Das Erdgeschoss des Ausstellungsraums präsentiert fünf ovale Leinwände, die auf 150 x 110 Zentimetern comicartigen Kürzeln auf nebulösen Hintergründen portionierten Raum geben. Bednarskys malerische Strichsetzungen und Bildgegenstände sind passgenau an ihre Träger abgestimmt und begrüßen die BesucherInnen durch ihr adrettes, sorgfältiges Äußeres. In heiterer Harmlosigkeit kolorieren sie die blütenweisen Ausstellungswände und wiegen die BetrachterInnen durch ihre tradierte Form- und Sujetwahl in bekannter Sicherheit. Doch es gibt eine Diskrepanz zwischen dem Bildhintergrund und der leichtfüßig-banalen Form der sich im Vordergrund befindlichen Motive wie einer Salatgurke oder eines Regenschirmes – düster und wolkig erzählt er eine andere Geschichte. Die abstrakten Nebelgebilde ragen über die Ränder der Leinwände hinaus und entführen in eine andere Bildebene. Auch die Titel, wie Optix (Take your Pills) (2018) oder Optix (Narcissus) (2018) deuten auf den Doppelcharakter der Werke hin, indem Bednarsky sich Begriffe und Phrasen der Tiefenpsychologie bedient.
Dies wird auch mit der Form der Bildträger fortgesetzt, welche an Spiegel denken lassen, die durch ihre Anbringung an der Wand nach vorne überzukippen drohen. Was liegt in dieser ausufernden Wolkenlandschaft verborgen? Und an was sollen uns die darauf schwebenden Post-Its erinnern? Die Glätte des Spiegels erlaubt es durch Reflexion ein Abbild entstehen zu lassen – doch was sehen wir wirklich darin? Unsere Wahrnehmung des eigenen Selbst ist in hohem Maße durch äußere Einflüsse bestimmt, die sich vor allen Dingen durch Klassifikationen wie Ethnizität, Gender und persönliche Biografie formen. Tiere sind zumeist nicht in der Lage das eigene Spiegelbild zu erkennen, der Mensch hingegen entwickelt diese Fähigkeit bereits im Kleinkindalter. Doch wieso? Ist es sein Abstraktionsvermögen, das diese Leistung möglich macht? Und falls ja, ist dies auch der Grund, warum wir zuweilen unser Selbst verstellen? Bednarsky hält uns in Impression Management einen malerischen Spiegel vor, der all diese Fragen aufwirft. In Anlehnung an Roy Lichtensteins Mirror-Paintings aus den Sechzigerjahren nutzt sie die ikonische Metapher des Spiegels, um uns und auch die Malerei auf sich selbst zurückzuwerfen. Die Selbstreferenzialität eines Mediums, das in wiederkehrenden Zyklen für tot erklärt wurde und doch überlebt, da es gelernt hat sich verschiedener Gattungen zu bedienen und diese zuweilen zu verspeisen. Doch verstellt sich die Malerei hierbei und legt sich ein neues Image zu oder erweitert sie sich lediglich und wächst über sich hinaus?
Auch im oberen Geschoss der Galerie befindet sich eine Arbeit der Künstlerin, die uns mit unserer eigenen physischen Präsenz konfrontiert. Eine vierteilige malerische Skulptur bildet in Form eines Paravents eine Art Manege, in die wir treten. Begibt man sich ins Zentrum dieser, wird man von großformatigen Malereien umringt, die das Aldi-Logo zum unendlichen Ornament erklären (Introverterior Extroverterior, 2018) dem klassischen Faltenwurf frönen (Privacy through a Mosquito Net, 2018) und eigenartige Pflanzenwelten heraufbeschwören (Mystery vs. History, 2018). Zwischendrin erobern opake, gestische Gebilde, die an wuchernde Gewächse erinnern, den surrealen Bildraum. Ein Gebiss und die Umrisse kindlicher Hand-Schattenspiele (Wenn es zu Boden fällt, war es ein Ei, 2018) verbildlichen zugleich die Vergänglichkeit (unseres Daseins?) und die Anwesenheit des Todes. Die Malereien stehen sich und gleichzeitig den BetrachterInnen gegenüber und bilden selbst einen erweiterten Raum innerhalb der Ausstellung. Wo stehen wir in dieser Collage aus unterschiedlichen Bildfragmenten? Und wie reflektieren wir diesen Standpunkt und dessen Schatten, der auf die Welt fällt, in der wir leben?
Bednarsky könnte man als eine klassische Malerin bezeichnen, die ihr eigenes Genre gerade aber durch die Reflexion ihrer Selbst hinterfragt und herausfordert. Die Frage kann ferner also nicht nur lauten, wie wir uns selbst durch das Bild eines Spiegels sehen, sondern auch wie wir Malerei in unserer heutigen Zeit bewerten? Zwar mag sich unsere Konsum- und Alltagswelt seit Roy Lichtenstein außerordentlich gewandelt haben, dennoch bleibt ihr Verlangen ein Ähnliches. Umso wichtiger ist es in Zeiten von Fake-News und algorithmischen Werbeanzeigen den Spiegel, durch den wir blicken, genauer unter die Lupe zu nehmen und uns zu fragen wie viel davon Image Management ist.
Beim Verlassen der Ausstellung nehme ich den Flyer mit nach Hause, der, wenn er so in meiner Hand liegt, tatsächlich der Größe eines Taschenspiegels sehr nahekommt.
Jagoda Bednarsky – Impression Management 24. November 2018 – 12. Januar 2018
PPC Philipp Pflug Contemporary Berliner Straße 32 60311 Frankfurt am Main